Journalisten, unterfordert Eure Leser nicht

Einfach soll die Sprache der Journalisten sein, klar und verständlich. Aber die Profi-Schreiber  sollen ihre Leser nicht unterfordern oder den Eindruck erwecken, dass sie diese für leicht minderbegabt halten. Genau dieser Eindruck entsteht bei mir, wenn ich Sätze wie diesen lese:

“Neben B. stemmt sich ein Mann von seinem Stuhl, er heißt Matthias Doehring, B.s Anwalt.”

(http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-85065930.html)

Welche Absicht verfolgt der Autor, wenn er zunächst mitteilt, dass sich ein Mann vom Stuhl erhebt? Dann dass dieser Mann Matthias Doehring heißt, und schließlich, dass er B.s Anwalt ist? Will er auf diese Weise Spannung erzeugen?

Warum schreibt er nicht viel kürzer : “Neben B. stemmt sich sein Anwalt Matthias Doehring von seinem  Stuhl. ”

Denn mir und sicher den meisten Lesern ist  klar, dass eine Person, die Matthias Doehring heißt, männlich ist.  Und wenn diese Person den Beruf des Anwalts ausübt, ist sie auch kein Junge mehr, sondern eben ein Mann.

Warum diese künstliche Dramatik in der  Formulierung des Autors?   Denn dass in unserem Land hin und wieder sich ein Mann von einem Stuhl erhebt, ist doch wohl eher eine alltägliche Begebenheit.  Und dass jener Anwalt  sich erhoben hat, spielt zudem für die dann folgende im Text beschriebene Handlung gar keine Rolle. Döring sagt etwas, das er genauso gut im Sitzen hätte  kundtun können. Denn er stampft nicht auf, er wirft auch nicht den Stuhl um, er verlässt anschließend auch nicht den Raum. Warum ist es dann für den Leser überhaupt wichtig zu erfahren, dass sich der Anwalt vom Stuhl gestemmt hat?

In dem Spiegel-Artikel geht es um einen Mann, der ein Opfer häuslicher Gewalt geworden ist und sich dagegen juristisch zur Wehr setzt – ein interessantes Thema und ein alles in allem gut zu lesender Text.

Nur wenn ich Sätze wie den oben genannten lese, ärgere ich mich ein wenig. Denn leider handelt es sich hier um keinen Einzelfall.

Liebe Kollegen, traut Euren Lesern mehr zu!

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